1862 – 1987
Etwas großzügiger betrachtet, beginnt die Geschichte der Firma Heinrich
Grimm Eisenwaren in Weinheim nicht erst 1862, sondern bereits im Jahre
1792, vor nunmehr 220 Jahren:
Im März 1792 wurde der Schlossermeister Friedrich Grimm aus der damals
kurtrierischen Stadt Limburg (Lahn) [Limburg/Lahn] zum Bürger in der
kurpfälzischen Stadt Weinheim aufgenommen, wo er alsbald eine Werkstatt
im Kesselviertel eröffnet. Möglich, daß [sic] er Weinheim als wandernder
Geselle kennengelernt hatte, heiratete er doch im gleichen Jahre 1792
die Eva Maria Roth, Tochter des kurmainzischen Revierjägers Roth aus
Gorxheim. Wie die Nachrichten in den Grundbüchern, den Zunftakten und
Ratsprotokollen beweisen, war Friedrich Grimm ein unternehmender Mann,
der seinen Vorteil stets zu wahren wußte [sic] und dabei nötigenfalls
auch vor gerichtlichen Auseinandersetzungen nicht zurückschreckte.
Ähnliches gilt für seinen 1797 geborenen Sohn Franz Josef Grimm, der am
14. März 1822 „nach günstig erlerntem Handwerk und zurückgelegten
Wanderjahren sowie nach gültig ausgefallenem Meisterstück zum Mitmeister
in die Schlosserzunft“ zu Weinheim aufgenommen wurde. 1834 wählten ihn
die Meister der „Vereinigten Zunft“ der Schlosser, Schreiner, Glaser,
Hafner, Nagelschmiede und Buchbinder zu ihrem Zunftmeister. Schließlich
nutzte er die Chance, im Zuge der damaligen Stadterweiterung im Bereich
„Hinter der Stadt“ am nördlichen Stadtgraben Baugelände zu erwerben.
Hier, in der Grabengasse, konnte er einen für damalige Weinheimer
Verhältnisse großzügigen Schlossereibetrieb errichten, nahe dem
Stadtzentrum und doch frei von der Enge des verschachtelten alten
Stadtkernes.
Im Februar 1849 übergab Franz Josef Grimm seinen Betrieb, die beiden
zweistöckigen Wohnhäuser mit Schlosserwerkstatt samt dem daranstoßenden
[sic] Gartengelände im ehemaligen Stadtgraben an seinen Sohn Heinrich
Wilhelm Grimm. Wie sein Vater und sein Großvater war auch der 1823
geborene Heinrich Wilhelm Grimm ein rühriger Charakter; so ging er bald
daran, das Anwesen in der Grabengasse zu erweitern und auszubauen. Er
ließ die offene Hofeinfahrt in der Grabengasse überbauen, wodurch er
Wohn- und Geschäftsräume hinzugewann; in einem Teil des bisherigen
Gartens im alten Stadtgraben ließ er ein Lagergebäude erstellen und
schließlich ersteigerte er das von seinem Urenkel Hans-Friedrich Gutjahr
das 1986 renovierte Lagergebäude in der Schlossergasse.
1862 schließlich erweiterte Heinrich Wilhelm Grimm seinen
Schlossereibetrieb und das bis heute bestehende Eisenwarengeschäft. In
diesem Jahre 1862 wurde im Großherzogtum Baden der Zunftzwang endgültig
aufgegeben; viele Handwerker fürchteten deshalb das Entstehen einer für
sie nachteiligen „unzünftigen“ Konkurrenz; es ist denkbar, daß [sic]
Heinrich Wilhelm Grimm aus diesem Grunde seiner wirtschaftlichen
Existenz ein zweites Standbein verschaffen wollte.
Über das in seinem Geschäft ursprünglich geführte Warensortiment geben
uns seine „Geschäftsempfehlungen“ im Weinheimer Anzeiger Auskunft: das
Angebot umfaßte [sic] Herde, Öfen, emaillierte und verzinnte
Kochgeschirre, Steinkohlenhäfen, Schürhaken, Kohlelöffel, Dachfenster,
Kamintüren und Kaminschieber, Pflüge samt Zubehör, Schaufeln und Spaten,
Achsen, Ketten und Grabkreuze, Stifte usw. Daneben führte Grimm auch
Schmiedeeisen und gewalzte Eisen, das aus Frankfurt bezogen und an
Odenwälder Schmiede und Schlosser wiederverkauft wurde.
Als Handwerksmeister und Bürger nahm Grimm selbstverständlich auch am
gesellschaftlichen Leben der Stadt teil. Als junger Mann schon gehörte
er zu den Gründern des Singvereins von 1842; die 1860 gegründete
Schützengesellschaft zählte ihn ebenfalls zu ihren Mitgliedern. Seine
Unterschrift unter die Weinheimer Petitionen an die Frankfurter
Nationalversammlung von 1848 verrät sein Interesse an den politischen
Fragen der Zeit.
1895 übergab er seinen Betrieb, die Schlosserei und das
Eisenwarengeschäft, an seinen Sohn, den Schlossermeister Heinrich
Friedrich Grimm. 1864 geboren, war Heinrich Friedrich Grimm der letzte
einer langen Reihe von Vorfahren, die das Schlosserhandwerk nach den
Regeln der Zunft als wandernde Gesellen erlernt hatten. Nach Auskunft
seines Wanderbuches war er „auf der Walz“ von 1883 bis 1885 und dann
nochmals 1889. Er lernte dabei vor allem das mittlere und nördliche
Deutschland kennen. Dresden, Berlin, Hamburg, Königstein gehörten zu den
Stationen seiner Wanderzeit, die von 1885 bis 1888 durch den
Militärdienst bei dem Mannheimer Grenadierregiment 110 unterbrochen
wurde.
Verglichen mit den 1860er Jahren hatte sich das Sortiment inzwischen
erweitert um Kinderwagen, Kinderbetten, Kinderbadewannen, Fahrräder und
Nähmaschinen, Leiterwagen, Milchwagen, Markt- und Feldwagen ( die
Scheesewägelscher der Weinheimer Mundart). Hinzugekommen waren außerdem
Metallspielwaren, Puppenherde, Modelleisenbahnen von Bing und Märklin.
Die Vorführanlage der elektrischen Spielzeugeisenbahn wurde übrigens
anfangs mit Strom betrieben, der von einer an die Wasserleitung
angeschlossenen kleinen Turbine erzeugt wurde.
Nachdem Weinheim ab 1914 an die Stromversorgung angeschlossen
wurde, nahm die Firma Grimm Lampen, Schwachstromanlagen und das
entsprechende Zubehör in ihr Angebot auf.
Als Heinrich Friedrich Grimm 1895 Schlosserei und Eisenwarenhandlung
übernahm, schien die allgemeine Wirtschaftsentwicklung günstige
Zukunftsaussichten zu rechtfertigen. Vermehrte öffentliche Aufträge im
Zusammenhang etwa mit dem Ausbau der Wasserversorgung und den großen
Schulhausneubauten, eine wachsende, einigermaßen kaufkräftige
Bevölkerung, all dies ermöglichte ein behagliches Mittelstandsdasein.
Dazu gehörte auch die Einbindung in das Weinheimer Vereinsleben. So war
Heinrich Friedrich Grimm seit 1890 im Singverein aktiv; hinzu kam die
aktive Mitgliedschaft im Kriegerverein, im Odenwaldklub und später noch
in der 110er-Kameradschaft.
Der Erste Weltkrieg, die Jahre der Inflation und schließlich die Krise
seit 1929 bedeuteten auch für die Firma Heinrich Grimm die
entsprechenden Rückschläge. Der Schlossereibetrieb wurde nach und nach
verkleinert, da sich in der Familie kein Nachfolger als Schlosser fand.
Der Tod von Heinrich Friedrich Grimm im Jahre 1936 brachte das
endgültige Erlöschen des Schlossereibetriebes in der Grabengasse.
Das Eisenwarengeschäft ging 1936 auf Elisabeth Grimm als älteste Tochter
des Heinrich Friedrich Grimm über; Prokura erhielt gleichzeitig ihr
Schwager Hermann Gutjahr, der als gelernter Einzelhandelskaufmann im
Eisenwarenfach über die dazu notwendigen Voraussetzungen verfügte. Als
Jäger und Sportschütze ging Hermann Gutjahr an den Ausbau des Angebotes
an Sportwaffen und Jagdgewehren samt Munition und sonstigem Zubehör.